Von der nüchternen Sitzung im Kreishaus bis zum Schreiben der Bürgermeister: Die finanzielle Lage im Kreis Pinneberg verschärft sich. Auch Wedel steht weiter unter Druck.
Eine Sitzung, viele Warnsignale
Als der Finanzausschuss des Kreises Pinneberg am 7. Oktober 2025 zusammentrat, war die Botschaft eindeutig: Der finanzielle Spielraum schwindet – beim Kreis ebenso wie in fast allen Städten und Gemeinden.
Die Verwaltung legte mit der Vorlage MV/FD-11/2025/566 eine detaillierte Übersicht vor. Sie zeigt, dass der Kreis selbst für 2025 ein Defizit von 55,4 Millionen Euro erwartet – und im Jahr 2026 voraussichtlich sogar 85,9 Millionen Euro. Das bedeutet: Ohne Gegensteuerung steigt die Kreisumlage deutlich, rechnerisch um bis zu 3,9 Prozentpunkte.
Auch die Kämmerer des Kreises hatten bereits zwei Wochen zuvor in ihrer Arbeitsgruppe kein gutes Bild gezeichnet. Sie warnten vor einer dauerhaften strukturellen Schieflage, verursacht durch Tarifsteigerungen, steigende Sozialausgaben, Baukosten und neue gesetzliche Aufgaben, etwa beim Ausbau der Ganztagsbetreuung.
Kommunen in der Zange
Das Ergebnis ist überall dasselbe: Die Einnahmen wachsen zu langsam, die Ausgaben zu schnell. Kommunen wie Elmshorn, Pinneberg, Quickborn oder Wedel schreiben Defizite, die sich auch durch einmalige Sondereffekte nicht ausgleichen lassen.
Für Wedel rechnet die Verwaltung 2026 mit einem Minus von 11,7 Millionen Euro. Schon 2024 lag das Defizit bei rund 14,7 Millionen. Auch das Haushaltssicherungskonzept wirkt nur leicht dämpfend. Gewerbesteuererträge brechen weg, Unterhalt und Personalkosten steigen.
Hinzu kommt ein Punkt, der im Kreisvergleich auffällt: Wedels Kassenkreditbestand ist überdurchschnittlich hoch – ein Zeichen, dass laufende Ausgaben zunehmend über Liquiditätskredite finanziert werden.
Bürgermeister schlagen Alarm
Noch vor der Kreissitzung hatten sich die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister der Städte im Kreis zusammengetan. In einem Schreiben vom 2. Oktober 2025 an Landrätin Sabine Sager fordern sie:
„Keine Erhöhung der Kreisumlage in dieser Lage.“
Sie verweisen auf die bereits angespannte Situation in den kommunalen Haushalten und verlangen vom Kreis ein verbindliches Konsolidierungskonzept mit überprüfbaren Einsparzielen.
Die Landrätin antwortete am 7. Oktober und kündigte Einsparungen von mehr als fünf Millionen Euro (2025) und über 15 Millionen (2026) an. Außerdem soll ein Projekt „Haushaltskonsolidierungskonzept“ unter Leitung des Finanzbereichs eingerichtet werden.
Damit ist klar: Der Sparkurs wird nun auch auf Kreisebene Thema – und dürfte bald auf die Kommunen durchschlagen.


Wedel im Fokus
Wedel liegt mit seinen Kennzahlen im Mittelfeld der kreisweiten Defizite. Doch der Blick auf die Verschuldung zeigt, dass die Stadt deutlich weniger Spielraum hat als viele Nachbarn.
In den letzten Jahren ist der Schuldenstand pro Einwohner kontinuierlich gestiegen, während Investitionen in Schulen, Straßen und öffentliche Gebäude immer teurer wurden. Das bedeutet: Jeder neue Euro Investition muss sorgfältig abgewogen werden – und darf nicht zur weiteren Belastung künftiger Haushalte führen.
Kommentar: Wedel muss jetzt ehrlich Bilanz ziehen
Ja, die Finanzlage ist überall angespannt. Und ja, Bund und Land lassen die Kommunen mit immer neuen Aufgaben und zu wenig Geld im Regen stehen. Aber Wedels Krise ist kein Zufall – sie ist das Ergebnis von vierzehn Jahren gescheiterter Konsolidierung.
Seit 2011 reden wir über Haushaltsdisziplin, aber gehandelt wurde zu selten. Das Eigenkapital hat sich halbiert, die Schulden haben sich verdreifacht. Jahr für Jahr wurden neue Projekte beschlossen, ohne Prioritäten zu setzen.
Wedel hat in den vergangenen Jahren investiert, gebaut, erweitert – oft mit guten Absichten, aber ohne finanzielles Gegengewicht. Grundstücksverkäufe wurden genutzt, um Haushalte zu schönen. Teure freiwillige Leistungen gestartet oder ausgeweitet, während Rücklagen schwanden. Der Personalaufwand wuchs, der Stellenplan dehnte sich aus.
So entstand ein gefährlicher Mechanismus: Sparen im Reden, Ausgeben im Handeln. Konsolidierung wurde zum Ritual, nicht zur Strategie.
Natürlich tragen äußere Faktoren – Zinswende, Tarifabschlüsse, Baukosten etc. – zur Schieflage bei. Aber die strukturelle Schwäche ist hausgemacht. Andere Städte haben in dieser Zeit Überschüsse erwirtschaftet oder Schulden abgebaut. Wedel hat den eigenen Anspruch, „nur aus Überschüssen zu investieren“, längst aufgegeben.
Heute steht die Stadt vor einer doppelten Herausforderung: hoher Investitionsbedarf bei gleichzeitig ausgereiztem Haushaltsspielraum.
Wer in dieser Lage auf alte Muster setzt, riskiert die Handlungsunfähigkeit der Stadt.
Konsolidierung darf kein Schlagwort mehr sein. Sie muss heißen: ehrlich Bilanz ziehen, den Umfang freiwilliger Leistungen prüfen, Personalkosten im Griff behalten, und politische Wunschlisten an finanzielle Realität koppeln.
Wedel hat nicht nur ein Einnahmen-, sondern vor allem ein Prioritätenproblem.
Und die Lösung beginnt nicht in Kiel oder Berlin, sondern im eigenen Rathaus.