Es hätte ein schöner, verbindender Moment für Wedel sein können. Wie jedes Jahr wurde am Roland der Maibaum aufgestellt – ein traditionsreiches Fest, das seit bald 30 Jahren von engagierten Bürgerinnen und Bürgern ehrenamtlich organisiert wird. Begleitet wurde das Ganze von Wedel TV, die ehrenamtlich und mit viel Herzblut regelmäßig Wedeler Ereignisse dokumentieren.
Wie in jedem Jahr fand auch der Bändertanz des Heimatbundes statt. Mit dabei – und sicher auch mit einem Augenzwinkern als „prominente Mittänzer“ betitelt – unsere Bürgermeisterin und der Stadtpräsident. Sie hatten sich die Mühe gemacht und den Tanz in den letzten Wochen einstudiert. Sie machten damit ihr Versprechen vom letzten Jahr wahr. Ein kleiner Moment der Leichtigkeit, der Zugewandtheit, wie man ihn sich in Zeiten wie diesen eigentlich nur wünschen kann.
Doch was daraus in der Facebookgruppe „Wedel-Germany“ wurde, lässt einen sprachlos zurück. Statt Freude, Dankbarkeit oder einfach einem Schulterzucken, ob der Wortwahl „prominent“ entwickelte sich eine Diskussion – oder besser: ein digitaler Schlagabtausch – voller Spott, Unterstellungen, Häme und Zynismus.
Kommentare wie „Prominent? Lachhaft!“ oder „Für 10.000 Euro im Monat tanzt sie auch noch …“ sind leider keine Ausreißer, sondern inzwischen symptomatisch. Es wird nicht mehr zugehört, nicht mehr gefragt, nicht mehr diskutiert. Es wird bewertet, abgewertet, unterstellt – mit einer verbissenen Wut, die erschreckt.
Die Facebookgruppe „Wedel-Germany“ ist längst kein Ort des Austauschs mehr. Es ist ein Raum geworden, in dem jede noch so kleine Geste in eine Grundsatzfrage über Anstand, Geldverschwendung oder politische Würde verwandelt wird. Wer sich bemüht, wird verdächtigt. Wer sich zeigt, wird verspottet. Wer widerspricht, wird persönlich angegangen.
Und das Fatale: Wer versucht, sachlich zu bleiben, wird entweder ignoriert – oder gleich mit in die Schusslinie gezogen. Differenzierte Stimmen gehen unter. Was bleibt, ist die Lautstärke der Empörung.
Dabei bräuchte Wedel – wie jede Stadt – das genaue Gegenteil: Räume, in denen man miteinander redet, statt übereinander. Wo man einander zuhört, statt sich reflexhaft zu empören. Wo auch Ehrenamt und Engagement wieder gesehen werden. Und wo nicht jeder Tanzschritt einer Bürgermeisterin zum politischen Affront erklärt wird.
Es ist traurig, dass ausgerechnet ein Maibaum – Symbol für Frühling, Gemeinschaft und Hoffnung – zum Auslöser für diese Form digitaler Kälte wird. Es sagt leider viel über den Zustand der lokalen Debattenkultur.
Vielleicht ist es Zeit, uns zu fragen: In welcher Stadt wollen wir eigentlich leben? Und wie wollen wir dort miteinander sprechen?