Bürgerentscheid Feldstraße 2015 – Als Wedel noch sachlich stritt

Im Herbst 2015 stand Wedel vor einer emotionalen Frage. Auf dem Grundstück an der Ecke Feldstraße / Rudolf-Breitscheid-Straße plante die Stadt den Bau einer modularen Unterkunft für Geflüchtete in nachhaltiger Holzbauweise. Rund 50 Menschen sollten dort ein neues Zuhause finden.

Das Vorhaben war Teil des städtischen Unterbringungskonzepts: Geflüchtete sollten dezentral über das Stadtgebiet verteilt werden, um Integration zu erleichtern und ältere, sanierungsbedürftige Sammelunterkünfte abzulösen. Der Hintergrund war die große Fluchtbewegung des Jahres 2015 – Wedel stand, wie viele andere Städte, vor der Pflicht, kurzfristig zusätzlichen Wohnraum zu schaffen.


Eine Bürgerinitiative formiert sich

Gegen das Bauprojekt bildete sich im Sommer 2015 eine Bürgerinitiative, die eine andere Lösung forderte. Ihr Ziel: der vollständige Erhalt der Grünanlage an der Feldstraße.

Die Initiatoren betonten in Aufrufen und Flyern, dass sich ihr Engagement nicht gegen die Unterbringung Geflüchteter richte, sondern gegen die Zerstörung eines Stücks städtischer Natur. Sie verwiesen auf bis zu 300 Jahre alte Eichen, artenreiche Tierwelt und die Bedeutung der Fläche als „grüne Insel“ im Stadtgebiet.

Zudem forderte die Initiative, die Stadt solle alternative Flächen prüfen, etwa kirchliche Grundstücke oder andere Areale im Stadtgebiet. Auch rechtliche Fragen wurden aufgeworfen: Manche vermuteten, das Grundstück sei ursprünglich mit einer Schenkungsauflage versehen oder in der NS-Zeit enteignet worden. Ein Nachweis dafür konnte jedoch nie erbracht werden.

Das Bürgerbegehren erreichte über 2.000 Unterschriften, genug für die Durchführung eines Bürgerentscheids.


Der Bürgerentscheid

Am 29. November 2015 waren rund 27.000 Wedelerinnen und Wedeler aufgerufen, abzustimmen.
Damit der Entscheid Erfolg hatte, mussten mindestens 3.800 Ja-Stimmen und eine gleichzeitige Mehrheit erzielt werden, das sogenannte Quorum.

Die Stadt informierte mit Broschüren, Infoblättern und Bürgerversammlungen über das Vorhaben, ebenso veröffentlichte die Bürgerinitiative ihren Standpunkt. Beide Seiten bemühten sich, sachlich zu bleiben.

Am Ende votierte die Mehrheit gegen das Bürgerbegehren, das Quorum wurde deutlich verfehlt. Damit war der Weg für den Bau frei. Bereits 2016 begann die Realisierung der modularen Unterkunft. Das Gebäude wurde bewusst zurückhaltend gestaltet, um sich in die Wohnumgebung einzufügen.


Die Stimmung auf Facebook – engagiert, aber respektvoll

Parallel zur Abstimmung verlagerte sich ein großer Teil der öffentlichen Diskussion auf Facebook – insbesondere in die Gruppe „Wedel-Germany“.
Zwei große Diskussionsstränge prägten das Wochenende des Bürgerentscheids: einer am Tag vor der Abstimmung, ein weiterer am Wahlsonntag selbst.

Darin zeigte sich ein breites Meinungsspektrum:

  • Ökologische Argumente dominierten bei vielen Gegnern des Baus. Sie sahen im Erhalt der Fläche einen Beitrag zum Klima- und Artenschutz und warnten vor weiterer Nachverdichtung.

  • Vertrauensfragen bestimmten andere Kommentare. Einige misstrauten der Stadtverwaltung, weil sie die Eigentumsgeschichte des Grundstücks für ungeklärt hielten.

  • Kostenargumente wurden teils widersprüchlich verwendet: Gegner verwiesen auf die Baukosten von rund zwei Millionen Euro, Befürworter hielten dagegen, dass alternative Flächen zusätzliche Ausgaben verursacht hätten.

Viele Teilnehmende betonten, dass ihr Engagement nichts mit Fremdenfeindlichkeit zu tun habe. Das Thema Flucht wurde zwar emotional diskutiert, doch in der Mehrheit mit humanitärer Grundhaltung.

Natürlich gab es auch hitzige Wortwechsel. Einige Kommentare enthielten pauschale oder abwertende Aussagen über Geflüchtete, wurden aber meist sofort widersprochen oder in der Diskussion eingeordnet. Andere Teilnehmer verteidigten Geflüchtete engagiert, erinnerten an Krieg, Verfolgung und Verantwortung. Einzelne Wortmeldungen gerieten zu Mini-Essays über Fluchtursachen und Integration.

Insgesamt blieb der Ton jedoch deutlich zivilisierter, als man es aus heutigen Online-Debatten kennt. Argumente wurden erklärt, Gegenpositionen ernst genommen, Missverständnisse ausgeräumt. Zwischen persönlicher Haltung, Lokalpatriotismus und Empathie entstand ein erstaunlich differenziertes Bild der damaligen Wedeler Diskussionskultur.

Zehn Jahre später wirkt diese Episode fast wie ein Rückblick auf eine andere politische Zeit. Eine ähnliche Debatte würde heute wohl binnen Stunden in sozialen Netzwerken eskalieren, zwischen Algorithmen, Schlagworten und Schuldzuweisungen.

2015 stritt Wedel über Argumente. Heute stünden wahrscheinlich Emotionen im Mittelpunkt.

Weiterführende Informationen

Hier die Links zu den damaligen Quellen und Diskussionen:

Weitere Informationen:

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