Abschaltung des Kohlekraftwerks Wedel – Eine unendliche Geschichte

Das Kohlekraftwerk Wedel gehört seit Jahrzehnten zur Energieversorgung des Hamburger Westens – und ebenso lange zu den Streitpunkten der norddeutschen Energiepolitik. Eigentlich sollte der alte Meiler schon 2013 vom Netz gehen. Doch bis heute läuft er weiter, und ein Ende ist erst für Ende 2026 in Sicht. Wieder einmal hat sich die Stilllegung verzögert – wegen technischer Probleme, politischer Verantwortungsketten und mangelhaften Projektmanagements.

Vom Übergangskonzept zum Dauerprovisorium

Gebaut wurde das Kraftwerk in den 1960er-Jahren von den Hamburgischen Electricitäts-Werken (HEW). Seitdem liefert es Strom und vor allem Fernwärme für Hamburgs Westen. Nach der Rekommunalisierung des Fernwärmenetzes gehört die Anlage heute zu den Hamburger Energiewerken (HEnW). Ursprünglich war vorgesehen, sie 2013 abzuschalten – doch fehlende Ersatzkapazitäten verhinderten das. Der Neubau eines modernen Gas- und Dampfturbinenkraftwerks (GuD) direkt in Wedel wurde 2015 aufgegeben. Stattdessen entschied sich die Stadt für den Standort Dradenau auf der Elbinsel – als Teil des sogenannten „Energieparks Hafen“.

Dort soll künftig eine Kombination aus Gas- und Dampfturbine, industrieller Abwärmenutzung und erneuerbaren Wärmequellen die alte Kohle ersetzen. Doch auch dieser Ersatzbau steckt seit Jahren fest. Fehlerhafte Rohrleitungen, fehlerhafte Schweißarbeiten und verzögerte Fertigstellung des Generalunternehmers sorgten dafür, dass sich die Inbetriebnahme mehrfach verschob. Die Hamburger Energiewerke mussten inzwischen hunderte zusätzliche Monteure einsetzen, um überhaupt voranzukommen.

Verzögerungen und Kostenexplosion

Die Folge: Das Kraftwerk Wedel bleibt mindestens bis Ende 2026 in Betrieb – ein Jahr länger als geplant. Die Kosten für den neuen Energiepark sind auf rund 724 Millionen Euro gestiegen, rund 60 Prozent mehr als ursprünglich kalkuliert. Für die Öffentlichkeit bedeutet das: Hamburgs Wärmewende kommt nicht voran, und die Stadt bleibt länger auf Kohle angewiesen als versprochen.

Politische und rechtliche Verantwortung

Formell trägt die Verantwortung für das Projekt die Hamburger Energiewerke GmbH. Eigentümerin ist jedoch die Freie und Hansestadt Hamburg, vertreten durch die Behörde für Umwelt, Klima, Energie und Agrarwirtschaft (BUKEA) unter Führung der Grünen. Damit liegt die politische Verantwortung beim rot-grünen Senat. Die Opposition aus CDU und FDP spricht offen von einem „Prestigeprojekt, das zum Symbol für Fehlplanung geworden ist“.

Rechtlich haften die Auftragnehmer der HEnW – insbesondere der Generalunternehmer – für Baufehler und Verzögerungen. Ob Schadensersatzforderungen durchgesetzt werden, ist derzeit offen. Faktisch aber trägt die Stadt die finanziellen Risiken und die politische Verantwortung.

Klimaschutz auf Warteschleife

Für Umweltverbände ist der weiterlaufende Kohlemeiler ein Rückschritt. BUND und Greenpeace kritisieren, dass Hamburgs Ziel einer klimaneutralen Fernwärme bis 2030 gefährdet sei. Der „Sommerstillstand“ – also die Abschaltung in warmen Monaten seit 2025 – sei zwar ein symbolischer Schritt, ändere aber nichts am Grundproblem: Solange der Energiepark Hafen nicht fertig ist, bleibt Wedel Teil der Versorgung.

Fazit

Das Heizkraftwerk Wedel ist längst zum Symbol der deutschen Wärmewende geworden – ein Beispiel dafür, wie ambitionierte Zeitpläne an technischen Fehlern, politischer Trägheit und bürokratischer Verantwortungsteilung scheitern können. Nach aktuellem Stand soll der Betrieb Ende 2026 enden. Ob dieser Termin hält, bleibt abzuwarten.

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    Fest steht, das das Gelände im jetzigen Zustand einen Schandfleck darstellt. Man sollte jede Möglichkeit nutzen, dort ein Unternehmen anzusiedeln. Wenn DHL in Wedel investieren möchte, wird doch sicherlich so etwas wie eine Machbarkeitsstudie existieren,auf die man aufbauen könnte. Es ist doch so: Ohne zusätzliche Steuereinnahmen kein Raum fü[…]
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